Gründungsberater Dr. Harald Schützeichel im Interview
Startup-Berater und Unternehmensgründer international; Einblicke in die Berater-Praxis

Nach einem halben Jahr der „Gründungsbüro-Praxis“ haben wir Herrn Dr. Harald Schützeichel zu einem Interview gebeten. Wir wollten wissen, wie er seine Kompetenzen in der Praxis einsetzen kann, wie seine weltweit gesammelten Erfahrungen im Bereich der Unternehmensgründung zum Tragen kommen und was sein wichtigster Rat für Gründer/innen ist.
Seit sechs Monaten sind Sie als Berater im Gründungsbüro tätig. Was hat Sie in den Beratungen am meisten überrascht?
Das sind gleich zwei Dinge. Zum einen die Vielfalt: es kommen Menschen aus allen Fakultäten der Universität zum Gründungsbüro und suchen bei uns Unterstützung in der Umsetzung einer möglichen Geschäftsidee.
Zum anderen bin ich überrascht, dass viele eine Gründungsidee verfolgen, die über das reine Gewinnmachen hinausgeht. Oft stehen ökologische, soziale oder gesellschaftliche Zielsetzungen hinter neuen Ideen. Wir haben inzwischen den hohen Anteil von Menschen, die ein sog. "Social Business" gründen möchten, zum Anlass genommen, für diese Zielgruppe ein gezieltes Beratungsangebot anzubieten.
Sie haben Unternehmen unterschiedlichster Art in Europa, Afrika und Asien aufgebaut: von einer börsennotierten Aktiengesellschaft in Deutschland bis zu einem Social Business in Hongkong. Was macht für Sie unternehmerisches Handeln aus?
Unternehmerisches Denken und Handeln ist vor allem eine innere Grundhaltung, die sich in der Lust an kreativem Gestalten und ständigem Suchen nach neuen Lösungen äußert. Man kann diese Lust nur schwer antrainieren. Wie etwa sportliche oder künstlerische Begabungen beruht auch die unternehmerische auf einer persönlichen Veranlagung, die sich irgendwann im Leben Bahn bricht und dann je nach Situation ihre eigene Gestalt findet: eine gemeinnützige Organisation oder eine börsennotierte Aktiengesellschaft, eine lokal aktive GmbH oder ein weltweit tätiges Social Business.
Wichtig ist aber nicht die juristische Form einer Unternehmung, sondern ob die dahinter stehende Geschäftsidee tragfähig ist, d.h. sie anderen Menschen einen so großen Nutzen verspricht, dass sie bereit sind, dafür mehr zu bezahlen als man selbst investieren muss.
Ist es für Ihre Tätigkeit von Vorteil, dass Sie Qualifikationen in verschiedensten Disziplinen haben: vom Künstlerischen, über Theologie und Philosophie bis hin zu wirtschaftlichen und Business-Coaching-Themen?
Durch meine interdisziplinären Qualifikationen habe ich verschiedene Fachrichtungen im Denkansatz kennengelernt, was mitunter das Verständnis einer Geschäftsidee erleichtert. Denn die Frage, ob etwas sinnvoll ist, wird ein Betriebswirt ja anders beantworten als ein Ingenieur, Forstwirt, Medizintechniker oder Philosoph. Wichtig ist aber die Anerkenntnis, dass jeder mit seinem Ansatz Recht hat - und doch auch wieder Unrecht; denn jeder sieht nur einen Ausschnitt. Nur in der Zusammenschau unterschiedlicher Blickwinkel kann man letztlich sagen, ob eine Idee sinnvoll ist. Je mehr Blickwinkel ich also kenne oder mir anhöre, umso differenzierter kann ich sehen und entscheiden.
Neben Ihrer Tätigkeit im Gründungsbüro unterstützen sie als Vorstand der von Ihnen gegründeten Stiftung Solarenergie Startups in Ostafrika. Wo liegen die prägnantesten Unterschiede zwischen der Startup-Förderung in Freiburg und Ostafrika? Oder sind die Bedarfe der Startups gar nicht so verschieden wie man denkt?
Natürlich gibt es Unterschiede, aber die betreffen vor allem die zur Verfügung stehenden Ressourcen: ein ostafrikanisches Startup kann zum Beispiel nicht auf die gleiche Infrastruktur bezüglich Mobilität oder Kommunikation zurückgreifen wie ein deutsches.
Vom Ansatz her sind die Gründer/innen aber sehr ähnlich: hier wie dort möchte man etwas verändern und damit Geld verdienen. Identisch ist auch eine Überbewertung von Investoren: viel zu schnell wird die Begrenzung der eigenen finanziellen Ressourcen als Haupthindernis angesehen. Dabei ist Geld oft nicht das Problem, sondern die fehlende Produktreife, das mangelnde organisatorische und buchhalterische Management oder eine gewisse Blauäugigkeit, was Kunden und ihre Bereitschaft betrifft, das angebotene Produkt zu kaufen. Viele Gründer/innen in Deutschland wie in Ostafrika benötigen erst einen heilsamen "Realitätsschock", bevor sie reif für den Unternehmensstart oder gar Investorengelder werden.
Und für diesen "Realitätsschock" sind Sie im Gründungsbüro zuständig?
Zumindest bemühe ich mich hier mit meinem Kollegen Thomas Maier um einen seriösen Realitäts-Check, basierend auf den unternehmerischen Erfahrungen, die wir beide mitbringen. Dieser Check führt dann bei manchen zu einem Schock, bei anderen aber zu einem Schub. In jedem Fall hilft jedoch ein realistischer Blick auf die eigene Geschäftsidee dabei, Geld und Zeit effizienter einzusetzen.
Was ist Ihr wichtigster Rat an Gründer/innen?
Lassen Sie sich nicht einschüchtern von dem, was häufig als Bild eines "richtigen" oder "echten" Unternehmers vermittelt wird. Die Szene von Gründer/innen ist viel breiter als die in den Medien sichtbare Spitze.
Selbst etwas auf die Beine zu stellen - und sei es noch so klein – zeichnet unternehmerisches Handeln aus, nicht die Größe der Firma, deren Umsätze oder die Anzahl der beteiligten Investoren. Und auf jedem Level gilt: verfolgen Sie Ihre Idee in professioneller Weise, d.h. fachlich konzentriert, mit Ausdauer, Kreativität und vollem Einsatz.